Strukturaufbau gefährdet?
Presseerklärung
Strukturaufbau gefährdet? - Freie Musikszene im Haushalt 2023/2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir melden uns als kulturpolitische Vertretung der professionellen freien Musiker*innen und größten Kunstsparte in Köln zu Wort, da wesentliche Mittel für die Musikszene in Höhe von insgesamt 1,3 Millionen Euro / Jahr im vorliegenden Entwurf für den Doppelhaushalt der Stadt Köln für die Jahre 2023/2024 bislang fehlen. Dabei geht es um die finanziellen Voraussetzungen zur Umsetzung des neuen Musikförderkonzepts, das die freie Musikszene im einem fruchtbaren Dialog mit Politik und Verwaltung in einem mehrjährigen Prozess entwickelt - und ebenso um die erfolgreich gestarteten neuen Festivals SPARK (aktuelles Musiktheater) und Cologne Jazzweek sowie die Sommer Open Air-Förderung.
Da im Haushaltsentwurf - s.S. 424 Haushaltsentwurf / Buch 1 - bei Gürzenich-Orchester und städtischen Bühnen insgesamt Mittel von ca. 26 Millionen Euro (2023+2024) aufgestockt wurden, stechen die geplanten Kürzungen im Bereich der freien Musikszene (s. S. 429f.) besonders drastisch ins Auge.
Wir plädieren gerade in der jetzigen Krisensituation für eine Erhaltung der erfolgreich und mit viel Mühe aufgebauten neuen Strukturen in der freien Musikszene - sowie für sowie die konsequente Fortführung des seit Langem überfälligen Strukturaufbaus. Dazu fehlen im aktuellen Haushaltsentwurf u.a. Mittel für die Weiterführung seit 2020 erfolgreich etablierter Förderinstrumente, die teilweise bereits im Musikförderkonzept von 2008 vorgesehen waren:
• flexible unterjährige Kleinstförderung, die sehr erfolgreich und mit hoher Akzeptanz und Effektivität kurzfristig Prozesse, Synergien und Kooperationen ermöglicht;
• Arbeits- und Recherchestipendien Musik, die als Prozessförderung vertiefende künstlerisch-wissenschaftliche Arbeitsvorhaben unterstützen;
• mehrjährige Projektförderung, die endlich seit Jahren etablierten und strahlkräftigen Festivals und Konzertreihen eine bessere Planungssicherheit gibt, sie beim Aufbau nachhaltiger professioneller Strukturen unterstützt und ihre Möglichkeit zur Akquise von Drittmitteln auf Landes- und Bundesebene stärkt;
Außerdem soll ein neuer Sondertopf Musikalische Diversität die Diversitätsentwicklung in der Musikförderung und die Einbeziehung bislang marginalisierter Akteur*innen, besonders im Bereich der Globalen und transkulturellen Musik, vorantreiben.Insgesamt werden im Haushalt für eine sinnvolle Umsetzung des neuen Musikförderkonzepts Mittel in Höhe von 700.000 € / Jahr gebraucht - sowie 100.000 € / Jahr für die Fortsetzung des Strukturaufbaus in der Globalen Musik. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der entsprechenden Personalbedarfe in der Kulturverwaltung. Für die quantitativ und qualitativ außergewöhnlich starke Musikszene in Köln, die mit geschätzt ca. 2.500 professionellen Akteur*innen ca. ein Drittel aller in Köln aktiven professionellen Künstler*innen stellt (NRW-Anteil der Musiker*innen unter allen Künstler*innen lt. Statistik der Coronastipendien ca. 40%), sind diese Mittel unverzichtbar.
„Wie in den Vorjahren besteht zum Auftakt der politischen Verhandlungen um den Haushalt eine beträchtliche Verunsicherung, ob wesentliche Maßnahmen zur Förderung der professionellen freien Musikszene in den nächsten beiden Jahren finanziert werden können. Wir vertrauen nun auf die Politik, den Haushaltsentwurf mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wie der Kulturförderabgabe zu korrigieren und sowohl die Umsetzung des neuen Musikförderkonzepts als auch die Weiterführung der erfolgreichen und mit hoher Investitionsbereitschaft gestarteten neuen Festivalprojekte Cologne Jazzweek, SPARK und IFM-Open Air 2023 und 2024 zu ermöglichen“, sagt IFM-Vorstand Thomas Gläßer. „Diese Maßnahmen und Projekte haben der freien Szene wichtige Impulse gegeben, neue Möglichkeitsräume eröffnet und eine große Resonanz gefunden - sie sollten so schnell wie möglich stabil im Haushalt verankert werden.“
Und schließlich gibt es spartenübergreifend krisenbedingte Bedarfe, die dringend im Haushalt berücksichtigt werden müssen: Dazu gehören die gestiegenen Heiz- und Reisekosten für freie Kulturhäuser und -veranstalter sowie die Kompensation gestiegener Reisekosten für freie Veranstalter*innen.
Wir freuen uns über den konstruktiven Dialog mit Politik und Verwaltung, der der freien Musikszene in den letzten Jahren wichtige strukturbildende Schritte ermöglicht hat.
Wir wünschen uns, dass diese Politik in den nächsten Jahren, auch über die Bereitstellung entsprechender Mittel im Haushalt 2023/24, konsequent fortgesetzt wird.
Köln, den 19. September 2022
Dorrit Bauerecker, Thomas Gläßer, Ulla Oster
Vorstand Initiative Freie Musik IFM e.V.