Neue Musik Steckbriefe (II)
Neue Musik Steckbrief II - Kulturbunker und Kunststation St. Peter
Entschuldigung, wo ist denn hier der Eingang? Von Kölns beliebtester Einkaufsstraße ist das Tor zur zeitgenössischen Musik zwar nur eine kurze Bummelei entfernt, versteckt sich aber in einem Hinterhof an der Jabachstraße. Die Kunst-Station St. Peter ist eine Oase zwischen Gottesdienst und Zeitgenossenschaft. Wer Moderne und Diversität möchte, muss noch über den Rhein hinweg suchen. Mülheims Kulturbunker ist ein Spielort, dessen Veranstaltungen und Gäste mindestens so plural sind wie sein Stadtteil. Doch wer an diesen Orten der freien Musikszene Kölns einen Gig oder eine Veranstaltung spielen möchte, braucht mehr als eine genaue Wegbeschreibung, denn ihre Eingänge für Künstler*innen und Veranstalter*innen zeigen sich nicht unbedingt offen und einfach. Autorin Maike Graf klärt mit Sevgi Demirkaya (Programmleiterin des Kulturbunkers) und Michael Veltman (Musikalischer Leiter und Organist der Kunst-Station St. Peter), wie die Zugänge zu ihren Bühnen für freischaffende Künstler*innen tatsächlich sind und was ihre Häuser an Infrastruktur und Möglichkeiten bieten.
Bühne(n) - Was findet statt?
KULTURBUNKER: „Der Kulturbunker bietet ein breitgefächertes Programm: Bei uns gibt es Theater, Performances, Ausstellungen, Lesungen, politische Veranstaltungen und natürlich Musik. Mit unseren Konzerten erreichen wir mittlerweile auch Menschen über die Stadtgrenzen hinaus - ob auf unserer Bühne im großen Saal, auf unserer sommerlichen Open-Air-Stage im Biergarten oder in unseren Galerieräumen. Der Kulturbunker ist wie der Stadtteil: divers und lebendig - in Publikum, Veranstaltungen und Genres.“
KUNST-STATION ST. PETER: „St. Peter ist mehr als nur eine Kirche. Unter dem Dach der Kunst-Station findet hier Zeitgenössisches statt. Neben der zeitgenössischen bildenden Kunst, die hier ständig und raumgreifend ihren Platz hat, ist die Kunst-Station ein Ort der zeitgenössischen Musik - gespielt in samstäglichen Lunchkonzerten, abendfüllenden Konzerten und auch in der Orgelmusik unserer Gottesdienste.“
Fundament - Was ist eure Veranstalter-Philosophie?
KULTURBUNKER: „Im Kulturbunker kuratieren wir unser Programm nach drei Gesichtspunkten: Diversität, Qualität und Repräsentanz. Wir sind ein Kulturort, an dem sich unterschiedliche Menschen, Kulturen und Altersgruppen begegnen und über das gemeinsame Erlebnis näher kommen können. Für diese Begegnungen bieten wir ein Programm, das die verschiedenen kulturellen Prägungen der Mülheimer*innen spiegelt.“
KUNST-STATION ST. PETER: „St. Peter macht ausschließlich zeitgenössische Musik. Seitdem Pater Mennekes 1987 die Kunst-Station ins Leben gerufen hat, führen wir das wirklich konsequent durch. Wichtig für unsere Kombination aus Kirche und Kunst ist, dass die Kunst hier nicht nebenbei passiert, sondern ein eigenständiger und widerständiger Faktor in der Kirche ist. Wenn hier eine Installation oder eine Ausstellung stattfindet, dann hat sie, ohne Diskussion, die absolute räumliche Freiheit. Der Gottesdienst wird dann um die Kunstobjekte herum gefeiert und die Stühle für die Gemeinde werden um die Ausstellungsstücke herum gestellt. Genauso eigenständig und widerständig verstehen wir auch die Musik in St. Peter.“
Künstler*inneneingang - Was passt in Euer Programm?
KULTURBUNKER: „In den ersten Jahren war der Kulturbunker ein Ort, den externe Veranstalter mieten konnten. Entsprechend zufällig war die Mischung. Seit 9 Jahren arbeiten wir an einem eigenen kulturellen Profil, das zum Stadtteil passt. Unsere Veranstaltungen suchen wir danach aus, inwieweit sie die Mülheimer*innen ansprechen und ihre Lebenswirklichkeit künstlerisch verarbeiten. Egal, ob elektronische Musik, Jazz oder experimenteller Pop, Performances, interdisziplinäre Ausstellungen und Theater, das so vielsprachig ist wie die Menschen im Stadtteil.
Eine besondere Herausforderung ist, dass wir unser Kulturprogramm ausschließlich über Förderprogramme finanzieren müssen. Das erschwert die Planung und eine langfristige Entwicklung. Der ständige Kampf um die Mittel bindet natürlich eine Menge Kraft, die wir lieber für unsere kulturelle Arbeit nutzen würden.“
KUNST-STATION ST. PETER: „Die asketische Profilierung auf die zeitgenössische Musik ist für St. Peter absolut wichtig. Zu St. Peter passen also Programme, die rein zeitgenössisch sind. Mischprogramme kommen leider nicht infrage, denn ein Programm, bei dem mal Bach und mal etwas Zeitgenössisches gespielt wird, das kann man überall haben. Auch reinen Jazz machen wir nicht, aber natürlich gibt es da auch zeitgenössische Ausläufer, die dann besser passen. Zeitgenössisches Musiktheater kann St. Peter organisatorisch nicht wirklich leisten, aber wir hatten hier durchaus schon performative Veranstaltungen. Ein religiöser Bezug ist überhaupt nicht notwendig.“
Tür - Zeit und Geld
KUNST-STATION ST. PETER: „Es gibt zwei verschiedene Modelle, nach denen Konzerte in der Kirche stattfinden. Zum einen veranstalten wir ganzjährig und wöchentlich unsere Lunchkonzerte (samstags um 13 Uhr), bei denen Musiker*innen ein zeitgenössisches Programm von 35-40 Minuten vorstellen können. Die Lunchkonzerte sind ein ganz offenes Format, quasi eine Art Forum, die ohne Eintritt, aber auf Spendenbasis stattfinden. Diese gehen dann vollständig an die Musiker*innen. ?Zum anderen können Musiker*innen in St. Peter abendfüllende Konzerte veranstalten und dafür die Kirche mieten. Die Hauptkonzerttage sind Mittwoch und Freitag, der Sonntag ist quasi ausgeschlossen. Aktuell liegt der Satz für dieses Modell bei 600 €. Für diese Mietkosten stellen wir den Kirchenraum und seine Nebenräume am Konzerttag (12-23 Uhr) für Proben, Auf- und Abbau zur Verfügung und es ist immer ein Ansprechpartner vor Ort.
“KULTURBUNKER: „Unser Ziel ist, den Musiker*innen ein angemessenes Honorar zu zahlen, das es ihnen erlaubt, von ihrer Arbeit zu leben. Über Konzerte hinaus bieten wir im Rahmen unseres Projektes ArtBase Cologne Künstler*innen infrastrukturelle und professionelle Unterstützung. Wir beraten Newcomer und Künstler*innen, die neu in Deutschland sind. Sie profitieren von unserem Netzwerk. So tragen wir zur Stärkung unserer heimischen Musikszene bei. Mittlerweile haben wir nicht nur viel Erfahrung als Veranstalter, sondern sind mit anderen Kulturorten, Agenturen und mit der Politik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene vernetzt. Das nutzt eben auch unseren Künstler*innen.“
Klinke - Bewerbung und Erstkontakt
KUNST-STATION ST. PETER: „Wer in St. Peter etwas Musikalisches darbieten möchte, der meldet sich bei mir, Michael Veltman, per Mail. In dieser Mail sollte ein Veranstaltungsdatum oder ein ungefährer Wunsch-Zeitraum stehen, sowie die Mitwirkenden und das geplante Programm für Lunchkonzert oder Abendkonzert. Wenn die Grundkriterien von Zeitgenossenschaft und Professionalität gegeben sind, dann setzt irgendwann auch das Gefühl ein, ob die Bewerber*innen ins Programm passen. Ich habe bisher aber kaum eine Anfrage erlebt, die aus dieser Sicht nicht angenommen werden konnte.“
KULTURBUNKER: „Am besten ist die Kontaktaufnahme per Mail. Für Telefonate haben wir als kleines Team im Tagesgeschäft häufig nicht die Ruhe, um sich auf die Künstler*innen einzulassen. Eine Mail mit den wichtigen Informationen und Soundbeispielen ermöglicht uns, mit ausreichend Zeit Künstler*in und Musik kennenzulernen. Wir können prüfen, ob es unseren Anforderungen an Diversität, Repräsentanz und Qualität genügt.“
Raum & Mobiliar - Welche Infrastruktur bietet ihr?
KUNST-STATION ST. PETER: „Der spätgotische Kirchenraum von St. Peter ist absolut pur. Die Kirche hat nur ganz wenige geistliche Einrichtungsgegenstände und vereinzelt dauerhafte künstlerische Impulse, wie das berühmte Gemälde von Peter Paul Rubens. Es gibt auch keine Kirchenbänke. Für jede Veranstaltung und für jeden Gottesdienst wird einzeln auf- und abgestuhlt. Dadurch sind wir natürlich flexibel, wie ein Konzert ausgerichtet werden soll.“
KULTURBUNKER: „Das ist die Gemeinsamkeit zwischen unseren Häusern. Wir können unseren Saal flexibel nutzen, ihn zum Beispiel für Theateraufführungen bestuhlen oder Stehplätze für Konzerte einrichten.
KUNST-STATION ST. PETER: „Hinzu kommt bei uns noch die Sache mit der Orgel. Sie ist ein Meilenstein des zeitgenössischen Orgelbaus und damit eine Orgel, die absolut für zeitgenössische Musik gemacht ist. In den letzten Jahren hat es immer wieder Maßnahmen gegeben, die Orgel noch zeitgenössischer zu machen. So bekam sie, vor Kurzem, ein computergestütztes Steuerungssystem, mit dem man jetzt noch verrücktere Dinge machen kann.? Darüber hinaus haben wir einen Flügel, aber sonst keine technische Infrastruktur, was Elektronik oder Lautsprecher angeht. Aber St. Peter bietet eben eine besondere Kulisse und eine exquisite Akustik, die sich besonders für Orgelmusik, aber auch für Kammer-, Klavier- oder Ensemble-Musik eignet, sowie für solistische oder chorische Stimmen.“
KULTURBUNKER: „Das Gebäude ist nun schon Jahrzehnten in intensiver Nutzung. Das hat Spuren hinterlassen. Eine Sanierung ist seit Längerem geplant und musste leider zuletzt verschoben werden. Allerdings konnten wir unsere technische Ausstattung jüngst modernisieren. Im großen Saal haben wir von Lautsprechersystemen und Scheinwerfern über Mikrofone bis zu Ton- und Lichtpulten einen umfangreichen Technikgrundstock. Hier können große Theaterproduktionen oder Ensemblekonzerte stattfinden. Unser Konzertflügel steht im Café des Bunkers und kommt dort bei Konzerten zum Einsatz.“
Ausgang - Wünsche
KUNST-STATION ST. PETER: „Ich glaube, dass St. Peter noch Potenzial hat, das es mit einer verbesserten Organisationsstruktur ausschöpfen könnte. Ich bin alleine verantwortlich für den musikalischen Betrieb in der Kirche, aber nicht als Konzertmanager, sondern als Organist. Mit mehr Personal könnte man sicher noch besser planen und offensiver auf Förderer zugehen.“
KULTURBUNKER: „Eine Sanierung unseres Gebäudes ist fällig: Unsere Energiebilanz und die Digitalisierung sind nicht mehr zeitgemäß. Außerdem sind einige Gebäudeteile sichtlich renovierungsbedürftig und mindern die Aufenthalts- und Nutzungsqualität. Nachdem sich unser Programm in den letzten Jahren im Umfang vervielfacht hat, arbeiten wir immer noch mit dem kleinen Team. Wie in den meisten soziokulturellen Zentren ist die Arbeitslast hoch und die Bezahlung nicht nach Tarif. Eine ausreichende Vergütung ist wichtig in Zeiten des Personalmangels, um gute Leute zu gewinnen. Nur so können wir unser Angebot ausweiten und verstetigen.
Kunst und Kultur sind die Grundlage für eine demokratische, vielfältige Gesellschaft. Dafür muss ausreichend Geld bereitgestellt werden. Wir soziokulturellen Zentren bringen die Menschen zusammen.“