Mitten im Leben und voller Tatendrang verstarb Joachim Ody in der Nacht zum 14. September 2022 an einem Herzinfarkt.
Er wurde am 4. August 1952 in Wiesbaden geboren und zog 1967 mit seiner Familie nach Köln, wo er schnell seine Vorliebe für elektronische und experimentelle Musik entwickelte, nachdem er schon als Elfjähriger zum großen Erstaunen seiner Schwester und Eltern im eigenen Kinderzimmer mächtige Orchestermusik zu Gehör brachte. Er arbeitete von 1973 bis 2017 beim Kölner Stadtanzeiger, die letzten Jahre als Korrektor. Viele kannten ihn allerdings aufgrund seiner langjährigen Autorentätigkeit für die 1980 gegründete Musikzeitschrift SPEX. Er war zudem der Kölner Gesellschaft für Neue Musik eng verbunden, dort zeitweise im Vorstand und kooperierte mit vielen anderen Musikvereinigungen, Reihen, Festivals sowie Einzelpersonen. Mindestens einmal im Monat traf man ihn im Plattenladen von a-musik vertieft im freundschaftlichen Gespräch. Ich selbst erfreute mich in den letzten zwanzig Jahren sehr an unserer guten Freundschaft, seinem einzigartigen Humor, seiner umfassenden Bildung und kritischen Tätigkeit als Korrektor. Zuletzt veröffentlichte er nach enger Zusammenarbeit zwei seiner eigenen Texte über meine beiden LPs ROUTE 1 und 2.
Wofür steht Joachim? Nicht zuletzt für seine unkonventionelle Unvoreingenommenheit und sein oft stilles Anliegen nicht zu separieren, sondern Gemeinsamkeiten, Verbindungen, die Übergänge zwischen den Dingen und Ideen zu finden. So gingen auch seine Texte oftmals vom Allgemeinen, Verbindenden aus, um dann immer feinfühliger seine Leserschaft in Bann zu ziehen. Dazu versetzte er seine feinen Beobachtungen in anspielungsreiche Schwingungen. Symptomatisch ist beispielsweise die Überschrift eines umfänglichen Essays, das er auf meine Einladung 2015 für Kunstforum International verfasste und unter dem Titel veröffentlichte: Ein 100-jähriges Gespenst – Spielarten elektronischer Musik zwischen U und E. Seine Haltung, über die wir oft gemeinsam sprachen, erinnert mich an einem zentralen Punkt an den Philosophen und Sinologen François Jullien, der in seinem Buch Es gibt keine kulturelle Identität von 2016 Künste und Kulturen als Ressourcen betrachtet, die allen offenstehen sollen. Getragen wird dieser Ansatz von dem aufrechten Glauben an ein prinzipielles Verstehen-Wollen, ohne Ausgrenzungen, Überbietungen und Abweisungen. Nicht unüberwindliche Differenzen kultureller Errungenschaften und Überzeugungen stehen hier im Vordergrund, sondern das Vermessen von persönlichen Abständen mit der Freude, diese Abstände zu verringern und Verbindungen zu erkennen oder neu zu schaffen.
Ich möchte hier schließen mit einem Satz aus dem Buch Coronasehnsucht, einem persönlichen Eintrag vom 13. Dezember 2020: „Um 2:53 Uhr mailt Joachim: 'Ein Betreff fällt mir momentan nicht ein: Kommunikation ist alles, Sprachlosigkeit verheerend!'“ Joachim, wir vermissen Dich, Deinen Humor, Dein umfassendes Wissen sowie die unvoreingenommene Neugierde Deines Herzens.
Roland Schappert, Oktober 2022