Interview mit Benjamin Thele, Stabsstelle Kulturraum- management der Stadt Köln
Experimentieren und nach vorne orientieren
Autor: Friedemann Dupelius
Herr Thele, die Stabsstelle Kulturraummanagement ist nun ein halbes Jahr aktiv. Was hat in den ersten Monaten Ihrer Arbeit Priorität?
Zunächst einmal mussten wir Strukturen aufbauen: Wie müssen wir uns personell aufstellen? Welche finanziellen Mittel brauchen wir? Das war kein Selbstläufer und hat viel Kraft und Arbeit gekostet. Wichtig war dabei, dass wir nach außen gut verständlich sein möchten. Es sollte von Beginn an klar sein, dass wir bei allen raumbezogenen Themen – von Atelierverwaltung bis Bauzuschüssen – die Anlaufstelle sind. Deswegen haben wir diese Bereiche aus dem Kulturamt mit in unsere Stabsstelle geholt. Wir wollten aber auch schnell erste Ergebnisse erzielen. Deswegen haben wir die Räume an der Delmenhorster Straße in Niehl angemietet, wo wir nun fast 5.000 Quadratmeter zu einem Atelier- und Proberaum-Zentrum entwickeln. Da sind wir ins kalte Wasser gesprungen – Räume dieser Größe hat die Stadt schon lange nicht mehr für die freie Szene angemietet. Außerdem wollen wir eine verbindliche Kommunikationsstruktur aufbauen: Wie können wir mit der Szene und der Politik zusammenarbeiten? Das ist die Basis für alles.
Wie ist die Stabsstelle strukturiert? Wie sind die Aufgaben verteilt?
Dazu muss man wissen, dass die Stabsstelle Kulturraummanagement aus dem Kulturamt heraus entstanden ist. Schon in meiner Zeit als Referatsleiter „Kultur als Akteur der Stadtgesellschaft“ habe ich mit Kolleg*innen aus dem Kulturamt die „Studie zur Integration von Kreativräumen und kulturellen Raumbedarfen in die Stadtplanung“ in Auftrag gegeben. Daraus entstand ein verwaltungsinterner Arbeitskreis und schnell stand fest, dass wir eine Struktur für das Thema brauchen, um konzentriert und fokussiert daran zu arbeiten. Der neue Kulturdezernent Stefan Charles hat dann erkannt, dass Räume eine essentielle Grundlage für alle Kulturbereiche sind – in Räumen wird geprobt, produziert und aufgeführt – und die Stabsstelle als Teil des Dezernats an sich angedockt. Dabei haben wir zwei Kolleginnen aus der Atelier- und Gebäude-Verwaltung und zwei aus dem Bereich Bauzuschüsse und Bausondervorhaben aus dem Kulturamt mitgenommen. Zusätzlich haben wir gerade noch eine Stelle für eine*n Architekt*in ausgeschrieben. Derzeit sind wir in der Stabsstelle zu siebt. Hinzu kommt unser freier Mitarbeiter, der die Stadtverwaltung aus seiner Zeit im Stadtplanungsamt genauso kennt wie die Kulturszene.
Worauf kommt es langfristig an? An welche Modelle der Unterstützung denken Sie?
Langfristig überlegen wir, wie es möglich ist, Räume für Kulturakteur*innen zu guten Preisen zu schaffen. Dazu gehört beispielsweise auch, ihnen bei Mietzahlungen zu helfen, solange ein Ort wegen Umbau noch nicht nutzbar ist, aber der Mietvertrag bereits läuft. Wir müssen aber auch Modelle der Refinanzierung entwickeln, etwa mit vernünftigen Finanzierungsmodellen durch Vermietung. Dadurch schaffen wir uns die Möglichkeit, neue Räume zu erschließen und den Markt langfristig zu entspannen. Momentan gibt es da einfach keine Fluktuation. Das müssen wir aufbrechen.
Für Anfang März haben Sie zum Kick-Off-Event geladen. Dort werden sich Arbeitsgruppen für drei verschiedene Themen zusammenfinden: Zwischennutzung, Potenzialflächenanalyse und die Kommunikation zwischen Stadt und Kulturszene. Inwiefern ist das der Auftakt für etwas Langfristiges?
Ich stelle mir vor, dass sich ein kleiner Nukleus an Leuten bildet, die aus der Szene heraus Pat*innen für einen bestimmten Bereich sind und diesen nach vorne treiben möchten. Man muss nochmal differenzieren zwischen den Bereichen Potenzialflächenanalyse und Zwischennutzung einerseits, was ja konkrete Vorhaben sind, und dem Arbeitsbereich Kommunikation: Hier müssen Strategien der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Szene erst gefunden werden.
Für diese dritte Gruppe stellen Sie die Frage: „Wie kann ein Pendant des Kulturraummanagements in der Szene aussehen?“ Welche Antwort würden Sie darauf geben?
Es soll einen zivilgesellschaftlichen Part geben, der bestimmte Aufgaben übernimmt. Wenn man über die Stabsstelle Kulturraummanagement spricht, muss man wissen, dass wir das ja als eine Art Reallabor konzipiert haben. Wir haben die Notwendigkeit, agieren zu müssen, ganz real Räume zu entwickeln und anzubieten. Parallel dazu müssen wir auch uns selbst als Verwaltung hinterfragen: Macht es Sinn, Teil der Verwaltung zu sein? Oder könnte man sich auch eine externe oder hybride Lösung vorstellen, also mit einem Brückenkopf in der Verwaltung und einem zivilgesellschaftlichen Part? Das sind Überlegungen, die wir mit dem Kick-Off anstoßen wollen.
Wie soll es mit diesen offenen Formaten weitergehen?
Mit einem Event sind diese Themen ja nicht gleich vom Tisch. Ich stelle mir vor, dass wir uns in regelmäßigen Abständen, dann vielleicht auch in kleineren Gruppen, weiterhin treffen. Dann können auch Expert*innen eingeladen werden und zum Beispiel am Thema Flächenanalyse weiterdenken. Es muss nicht immer so groß wie beim Kick-Off aufgezogen sein, aber solche offenen Formate wird es regelmäßig geben.
Eine der ersten Aufgaben der Stabsstelle ist das Kartografieren von Leerstand und potenziellen Nutzflächen. Das hat viele hellhörig gemacht. Wie sieht dieser Prozess aus?
Unsere Gespräche mit verschiedenen Akteur*innen, unter anderem auch von Hochschulen, über eine Potenzialflächenanalyse sind fortgeschritten. Wir beginnen demnächst mit dem Kartografieren. Dabei wollen wir zwar offen denken, aber nicht nur Träume formulieren und auf eine schöne Karte zeichnen, sondern auch auf die Realisierbarkeit beachten. Am meisten interessiert mich, wie man Entwicklung mitdenken kann. Also einerseits: Räume und Flächen identifizieren und visualisieren, aber dabei immer überlegen, wie sie sich entwickeln können. Die Karte soll nicht bloß ein hübscherer Immoscout werden, sondern über eine reine Datenbank hinausgehen. Wir möchten ein richtiges Portal haben, über das sich beispielsweise auch Proberäume buchen lassen.
Könnte ich dem Portal auch einen spannenden Ort zuspielen, den ich gefunden habe? Oder anders gefragt: Wie zugänglich soll es sein?
Wenn Sie beim Spazierengehen eine alte Lagerhalle entdecken, könnten Sie die als potenziellen Leerstand melden, der dann von uns geprüft würde. Genau so ist das gedacht. Ehrlicherweise ist das aber auch ein Riesenbrett, das wir bohren müssen. Das Portal soll eine Menge beinhalten, aber dabei trotzdem userfreundlich sein. Ich will kein krudes Tool, das am Ende keiner versteht.
Ein großes Problem bei der Aushandlung von Kulturraum ist, dass zwischen Kulturakteur*innen und Investorengruppen oft kaum Kontakt besteht. Inwiefern sehen Sie sich als potenzieller Vermittler zwischen solch unterschiedlichen Interessensgruppen?
Ich sehe Potenzial, dass wir dabei eine vermittelnde Rolle spielen oder ein vertrauensgebendes Moment geben können. Zum Beispiel muss dem Thema Zwischennutzung der Schrecken genommen werden. Es gibt die Vorstellung, dass Kulturakteur*innen eine Zwischennutzung nie wieder verlassen und dann die große Welle mit Einschaltung der Presse usw. machen. Man muss differenzieren zwischen einer Zwischen- und einer Pionier-Nutzung. Eine Zwischennutzung hat einen klaren Anfang und ein klares Ende. Aber wenn sich beispielsweise eine Baugenehmigung verzögert, könnten wir dann vermitteln, damit die Akteur*innen den Ort entsprechend länger bespielen können. Es ist aber kompliziert: Nach deutschem Steuerrecht ist es oft günstiger, einen Raum leer zu lassen, weil die Abschreibungen sich mehr lohnen als eine Vermietung zu reduziertem Mietzins. Das sind Absurditäten, doch wir können keine bundesweiten Steuerreformen umsetzen. Was wir können, ist: Strukturen schaffen und in den Dialog gehen.
In Ihrer vorherigen Position war das Thema Pluralität der Stadtgesellschaft ein zentrales Anliegen im Hinblick auf eine diversere Kulturpolitik und Kulturszene. Nun gehört zu dieser Pluralität ja auch, dass längst nicht alle Menschen Kulturorte wollen – nicht nur Investor*innen. Wie lässt sich das moderieren?
Ich komme ja selbst aus der Kultur und in meiner jetzigen Position muss ich natürlich den Kulturstandort absolut setzen. Aber natürlich stellen wir in der breiten Stadtbevölkerung oft fest, dass man etwa Pflegeplätze gegenüber Ateliers priorisiert. Auch in der Verwaltung spiegeln sich diese unterschiedlichen Bedarfe wider. Ich möchte versuchen, eine andere Form des Denkens einzubringen, in der diese Dinge nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern neue Möglichkeiten des Miteinanders gedacht werden.
Auf welche Weise und auf welchen Kanälen ist die Stabsstelle nahbar für die Bürger*innen? Wie können sie die Stadt und die Kulturlandschaft mitgestalten?
Man kann uns immer anrufen und anschreiben und den direkten Kontakt suchen. Es ist ja kein hermetisch abgeschlossener Prozess, in dem wir uns befinden. Wir wollen die Leute mitnehmen und mit ihnen langfristig zusammenarbeiten. Als Stabsstelle müssen wir Sparringpartner in der Szene und der Politik haben, mit denen wir gemeinschaftlich auf einer Arbeitsebene produktiv an die Themen herangehen. Das ist Grundvoraussetzung, wenn man wirklich etwas bewegen will. Ich weiß, dass es auch knirschen wird, dass es um Fragen der Repräsentanz gehen wird. Ich weiß aber auch: Ich möchte keine Veranstaltungen dieser Art mehr: Alle klagen ihr Leid, dann schreiben wir das auf Zettel, kleben sie an die Wand, schütteln uns die Hände und gehen nach Hause. Wir müssen uns nach vorne orientieren, müssen ausprobieren und experimentieren – und das mit Spaß und Lust!
Das Gespräch mit Benjamin Thele führte Friedemann Dupelius für musik-in-koeln.de / IFM im Februar 2023