Spartenbericht Musik vor dem Kulturausschuss am 8.10.2019

Spartenbericht Musik vor dem Kulturausschuss am 8.10.2019

Spartenbericht Musik, Kulturausschuss des Rates der Stadt Köln, 8. Oktober 2019

 

Allgemeiner Teil

 

Die Kreativität der freien Szene, die durch ihre vielen Spitzenvertreter*innen und ihre hohe Qualität in der Breite landes- und bundesweit ausstrahlt, ist ein wesentlicher Faktor der Musikstadt Köln. Die freie Szene zeichnet sich durch ihre kulturelle und kreative Beweglichkeit, ihre Innovationsfreude und die Vielfalt individueller künstlerischer Ansätze aus. Sie ist Nährboden und Schauplatz einer fluiden und reaktionsschnellen Kreativität, individueller künstlerischer Initiative und engagierter kultureller Partizipation. Kölns freie Musikszene zeichnet sich aber nicht nur durch hohes Niveau, Beweglichkeit und Vielfalt aus, sondern steht auch in einem engen Verhältnis zu den Institutionen der Stadt und des Landes: U.a. rekrutieren die Klangkörper, Theater und Hochschulen in Stadt und Land (und darüber hinaus) aus der freien Szene Kölns einen substantiellen Teil der Musiker*innen für Produktionen und Vertretungen, Projekte und Lehre.

 

Um den Musiker*innen, Akteur*innen und Projekten der freien Szene zu einer besseren Sichtbarkeit, sinnvollen und weniger prekären Arbeits- und Produktionsbedingungen sowie überregionaler und internationaler Vernetzung zu verhelfen, schlägt die Initiative Freie Musik (IFM) vor, die finanzielle Unterstützung der Projekte, Konzertreihen, Festivals und Institutionen der freien Szene durch die Stadt - wie im Kulturentwicklungsplan angedacht - mittelfristig fest an die Entwicklung des Budgets der städtischen Musikinstitutionen zu koppeln - und dabei bis 2030 sukzessive auf eine Quote von 10% des städtischen Musiketats (Summe der laufenden Aufwendungen - ohne einmalige Investitionen - für die Bühnen der Stadt Köln / Anteil Oper, Gürzenich-Orchester, KölnMusik, Acht Brücken, Stadtgarten, ZAMUS, ON, Loft, KGNM, Stadtmusik, Kölner Brauchtum sowie die gesamte Projektförderung) auszubauen. Derzeit liegt die Quote deutlich unter 3% (1,3 Millionen, Stand 2017), die Projektförderung macht davon nur einen Bruchteil von einem knappen Viertel aus (300.000€, Stand 2017).

 

Nachdem in den letzten Jahren bedeutende Institutionen der freien Szene (Stadtgarten, Loft, ON, ZAMUS, Musikfabrik, Lärmschutzfonds) von Stadt und Land gezielt unterstützt und gestärkt wurden, ist es im nächsten Schritt erforderlich, auch die direkt an die Musiker*innen und andere Akteure der freien Szene fließende Unterstützung planvoll und nachhaltig auszubauen, um die hohe Qualität und produktive Vielschichtigkeit (künstlerische Projekte und Entwicklungsvorhaben, Konzertreihen und Festivals) der freien Musikszene aufrechtzuerhalten, den Veränderungen der musikalischen und gesellschaftlichen Landschaft (Bedeutungsverschiebungen in der kulturellen Landschaft, Migration, inter- und transkulturelle Entwicklungen, Wandel in Förderlandschaft und Musikmarkt, steigende Lebenshaltungskosten) Rechnung zu tragen und neue Entwicklungen zu ermöglichen.

 

Erster Schritt / Vorschläge Doppelhaushalt 2020/21

 

Umsetzung der Vorschläge der IFM für das aktuell in Arbeit befindliche Musikförderkonzept:

Erweiterung des Förderspektrums um die Sparten Globale Musik und Klassik

Diversifizierung der Förderinstrumente durch Einführung von fristfreier Kleinstförderung, Arbeitsstipendien und mehrjähriger Projektförderung (Ensembles. Reihen, Festivals etc.)

Erweiterung des Förderspektrums um neue Bereiche (Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit, Beratung, Vermittlung, Produktion, Arbeitsstipendien)

Beteiligung eines von Kulturamt und IFM gemeinsam besetzten Musikbeirats an wesentlichen Förderentscheidungen

daraus ergibt sich die Notwendigkeit der kurzfristigen Erhöhung der im Bereich Musik zur Verfügung Mittel für Projektförderung um 300.000 € / Jahr

Erhöhung der Interessenvertretungsmittel zur organisatorischen Stärkung und Professionalisierung der freien Musikszene/n, ihrer Öffentlichkeitsarbeit und selbstorganisierten Strukturen um 60.000 € / Jahr

Entbürokratisierung der Projektförderung (Festbetragsförderung, fristfreie Kleinstförderung, vereinfachte Abläufe)

Entwicklung eines Gesamtkonzepts „Musikstadt Köln“

Fortschreibung und transparente Weiterentwicklung des Leitprojekts zur Stärkung der freien Szene als Akteur der Stadtgesellschaft

 

Zweiter Schritt / Perspektive 2025

 

Ausbau der Förderung der freien Szene auf 7,5% des städtischen Musiketats (Zwischenschritt zur Erreichung von 10% 2030)

Ausbau der Projekt-, Konzeptions- und Kleinstförderung auf 40% der Gesamtförderung der freien Musik-Szene (60% für die Institutionen der freien Szene, incl. Festivals)

Erhalt und Weiterentwicklung der Reihen- und Festivallandschaft

 

Dritter Schritt / Perspektive 2030

 

Ausbau der Förderung der freien Szene auf 10% des städtischen Musiketats

noch zu definierende Perspektivprojekte (Kammermusiksaal, transdisziplinäres Produktionshaus, Entwicklung der Organisations- und Infrastruktur der freien Musik-Szene)

(Weiter-)Entwicklung von Festivalformaten für alle Musiksparten

 

 

Die Teilszenen im Einzelnen

 

ALTE MUSIK

Potentiale Zentrum für Alte Musik (ZAMUS), Festival für Alte Musik, starke lokale Szene und herausragende und dynamische Ensemble-Landschaft, Zusammenarbeit mit Musikhochschule, Deutschlandfunk, WDR und dem neuen FELIX-Festival der Philharmonie

Probleme drängendes Raum- und Standortproblem (ZAMUS), fehlender großer Probensaal

Perspektiven Weiterentwicklung und finanzielle Ausstattung des Festivals für Alte Musik (ZAMUS) auf Augenhöhe mit FELIX-Festival, Standortsicherung und Ausbau des ZAMUS (zweiter Probensaal, Übezimmer), Professionalisierungs-Stipendium für neue Ensembles

 

ELEKTRONIK & KLANGKUNST

Potentiale legendäre Historie der Stadt im Bereich Elektronik und Klangkunst (Elektronische Studios, Pionierarbeit in zeitgenössischer und populärer Musik),vitale, künstlerisch starke und vielfältige Szene, enge Vernetzung und Zusammenarbeit mit Hochschule für Musik und Tanz / Elektronisches Studio, Kunsthochschule für Medien / Klanglabor und Reihe M

Probleme fehlendes Festival für elektronische Künste (wie z.B. ars electronica), keine internationalen Leuchtturmprojekte, fehlender zentraler Veranstaltungs- und Produktionsort, keine szeneübergreifende Veranstaltungsplattform, fehlende Räume für Installationen und längerfristige Klangkunst-Projekte

Perspektiven Neugründung transdisziplinäres Festival für elektronische Künste, szeneüber-greifende Veranstaltungsplattform, Aufführungs- und Produktionsort mit Residenzprogramm, Erhöhung der Projektförderung und Schaffung längerfristiger Fördermöglichkeiten, Entwicklungsdialog mit Kulturverwaltung und -politik

 

GLOBALE MUSIK

Potentiale Sehr vielschichtige, vitale Szene mit lebendiger Verankerung in den migrantischen Communities. Hohes künstlerisches Potential in Breite und Spitze. Originelle Veranstaltungen und innovative Ansätze im Low-Budget-Bereich. Hohe Strahlkraft über Köln hinaus (Köln gilt trotz geringer Förderung als Hochburg der Globalen Musik). „Runder Tisch Globale Musik“ als Forum von freier Szene, Institutionen und Verwaltung.

Probleme Der Reichtum der Szene wird bislang nicht richtig wahrgenommen, kommuniziert und gefördert. Vielfalt und Kleinteiligkeit werden nicht als Chance begriffen. Viele Musiker*innen fühlen sich von den bisherigen Vertretungen und Institutionen nicht repräsentiert. Keine gute Vernetzung. Teilweise Zugangsbarrieren wegen Sprache etc..

Perspektiven Fortsetzung des am „Runden Tisch Globale Musik" mit „Global Diffusion“ begonnenen Prozesses zur Gründung eines innovativen internationalen Festivals. Stärkung der selbstorganisierten Szenevertretung. Entwicklung professioneller Werkzeuge und einer Organisationsstruktur für Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und (internationale) Vernetzung (Perspektive: Büro für Globale Musik und Veranstaltungsplattform). Aktualisierung gesellschaftlicher Teilhabe und (Re-)Vitalisierung kultureller Ressourcen.

 

JAZZ

Potentiale vorbildlich in Qualität, Dichte und Lebendigkeit, bundesweit herausragende freie Szene im Bereich Jazz und improvisierter Musik (Ensembles, Kollektive, Konzertreihen, Spielstätten), hervorragende freie Spielstätten (Stadtgarten, LOFT, King Georg), enge Verbindung zum (inter)national ausstrahlenden Studiengang „Jazz und Popularmusik“ an der Hochschule für Musik und Tanz, starke Szeneplattform (Kölner Jazz Konferenz), Internetplattform jazzstadt.de

Probleme: angesichts der Leistungsfähigkeit der Szene deutlich zu geringe Projektförderung, fehlendes internationales Festival

Perspektiven Weiterentwicklung Kölns zu einer herausragenden internationalen Jazz-Metropole, Etablierung eines internationalen Festivals mit starker Verankerung in der lokalen Szene, substantielle Aufstockung der Projektförderung durch die Stadt Köln

 

KLASSIK

Potentiale hohes künstlerisches, international ausstrahlendes Niveau, große freie Szene klassischer Kammermusik, enge Verbindungen zur Musikhochschule und der Orchesterlandschaft der Stadt, 2017 neugegründete Szenevertretung (Initiative Klassik Köln)

Probleme bislang kaum Zugang freier klassischer Musiker und Ensembles zur Projektförderung der Stadt, fehlende freie Konzertreihen, keine Proberäume, fehlender Kammermusiksaal

Perspektiven zeitnahe und nachhaltige Erhöhung der freien Projektmittel und Einbeziehung der freien Klassik in die Projektförderung des Kulturamts, Einführung mehrjähriger Projektförderung für Reihen und Ensembles, Kammermusikreihe als Schaufenster der Szene, Neu- oder Ausbau eines akustisch hervorragenden Kammermusiksaals

 

NEUE MUSIK

Potentiale starke und kreative freie Szene zeitgenössischer Musik, Verbindungen zur Hochschule für Musik und Tanz und zum Ensemble Musikfabrik, starke Initiativen wie ON - Neue Musik Köln, KGNM, Kölner Initiative Musiktheater (KIM), enge Zusammenarbeit mit den Rundfunkanstalten (WDR, Deutschlandradio)

Probleme prekäre Situation vieler Einzelmusiker*innen, fehlende Projektmittel und Direktförderung von Kompositionsvorhaben, fehlende (mehrjährige Projektförderung) vor allem auch für Ensembles und längerfristige Projekte, zu geringe Berücksichtigung Kölner Komponist*innen in den Programmen der ortsansässigen Institute und Orchester,

Perspektiven substantielle und nachhaltige Erhöhung der freien Projektmittel, Einführung von mehrjähriger Projektförderung für Ensembles, Strukturen und größere Projekte, Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Orchestern und Institutionen, Lockerung der Spartentrennung zwischen den Referaten zur Erleichterung transdisziplinärer Produktionen, „Fördern, was es von sich aus schwer hat“ als Leitlinie der Förderpolitik fortschreiben

 

Köln, den 20. September 2019

Thomas Gläßer, Tobias Kassung, Susanne Regel (Vorstand IFM)

 

in Abstimmung mit den Vertretter*innen der Teilszenen Alte Musik, Elektronik und Klangkunst, Globale Musik, Jazz, Klassik, Neue Musik